„Hast du die Tasche gepackt und alles kontrolliert?“, fragte Iris. „Es darf nichts schiefgehen. Wir müssen in einer Stunde am Treffpunkt sein.“ „Ja, ich weiß, aber mir geht es nicht gut, ich brauche noch einen Moment.“ Robert hatte sich im Bad des Hotelzimmers eingeschlossen. Bereits in der vergangenen Nacht überfielen ihn schwere Magenkrämpfe.
Magenschmerzen
„Der Auftrag ist sehr wichtig für uns, Robert. Wir dürfen ihn nicht verpatzen.“ Iris war dabei, die Reisetasche zu komplettieren. „Ich packe noch das Einbeinstativ ein, ich glaube nicht, dass du eine ruhige Hand hast. Genug zum Nachladen habe ich auch eingepackt. Was denkst du, wie viele Schüsse du brauchst, um das Objekt richtig zu treffen?“ Doch Robert antwortete ihr nicht, er krampfte sich zusammen und beugte sich erneut über den Toilettenrand. Iris ging nervös auf und ab, sie war genervt. Es war abgemacht, dass Robert den Auftrag ausführen sollte, er hatte von beiden eindeutig das bessere Auge.
Der Auftrag
Mr. Smith aus Amerika war ein intelligenter und reicher Mann, sein Ansehen in der Gesellschaft könnte der große Durchbruch sein. Iris denkt an die Folgeaufträge, die ihnen erheblichen Reichtum bescheren würden, selbst wenn sie äußerst gefährlich sind. Gute Planung war dabei erste Priorität und absolute Voraussetzung. Außerdem hatte Smith bereits einen Vorschuss von 5.000 Euro geleistet. „Komm endlich raus, die Zeit läuft uns davon, wir müssen los.“ Iris klopfte eindringlich an die Badezimmertür. „Ja, ich komme ja schon“, antwortete Robert gequält. Iris schulterte die Reisetasche und schaute auf ihr Handy. „Noch fünfzig Minuten.“ Robert verließ das Bad. Gekrümmt und leichenblass nahm er seine Jacke und den Wagenschlüssel. „Ich glaub, ich pack das nicht“, krächzte er schwach. „Verdammt, stell dich nicht so an.“ Iris wurde langsam ungeduldig. Zorn stieg in ihr auf. „Was soll dieser Mann nur von uns denken, wenn wir jetzt nicht diesen Auftrag souverän durchziehen? Wo werden wir in Zukunft landen? Das ist unsere große Chance, also vermassle sie nicht“, fauchte Iris Robert an. Robert antwortete nicht, er setzte sich ans Steuer des Leihwagens und startete den Motor. Innerlich verfluchte er die ganze Situation. War es das wert? In Gedanken malte er sich aus, was alles passieren könnte, was alles schief gehen könnte. Wo würden sie in der Tat in Zukunft landen? Schweißperlen traten auf seine Stirn, sein Magen verkrampfte sich erneut. Aber er hielt diesmal durch. Auf dem Weg zur Weide, auf der sie sich mit Lars treffen wollten, blickte Iris bedenklich gen Himmel. „Hoffentlich spielt das Wetter mit. Wolken sind überflüssig und wir brauchen die Sonne im Rücken, um nicht geblendet zu werden.“ Iris schaute zu Robert, der immer noch blass und verkrampft das Auto steuerte. „Weißt du noch, wie du geprahlt hast, als wir den Auftrag an Land ziehen wollten? Wir sind uns für nichts zu schade, hast du gesagt. Wir werden alles zu ihrer absoluten Zufriedenheit ausführen – waren das nicht deine Worte?“ Iris war sichtlich sauer auf Robert. „Schon gut, ich mach es ja, ich muss mich nur noch etwas an diese Situation gewöhnen.“ Sie hatten mittlerweile ihr Ziel erreicht. Auf einer großen Wiese stand bereits Lars und zipfelte an seinem Heißluftballon herum, um ihn startklar zu machen. „Hi, wollt ihr beide mitfahren oder nur einer?“, begrüßte er Robert und Iris. „Nur einer“, antwortete Iris knapp und holte die Reisetasche aus dem Kofferraum. Robert zückte seine Geldbörse und überreichte Lars, wie bereits vereinbart, 350 Euro. „Na, alter Knabe, ist wohl das erste Mal? Siehst recht blass aus.“ Iris stapfte an Robert vorbei und schmiss die schwere Tasche in den Ballonkorb. Zornig sagte sie: „Ich werde mitfahren, nicht er – Robert nimmt den Wagen, um uns wieder einzusammeln.“ Erleichtert schaute Robert zu Iris, die ihm missmutig entgegenblickte.
Nur Mut
Kurze Zeit später hoben sie ab. „Wir sehen uns später“, schrie sie Robert nach und zu sich selbst: „Ich könnte den Kerl abschießen! Das hier ist normalerweise sein Job.“ Wütend schraubte Iris ihre Ausrüstung zusammen und stellte sie in Position, dann suchte sie mit dem Fernglas das Objekt. Lars kümmerte sich nicht um die Angelegenheiten von Iris. Er hatte nur den Auftrag, mit ihr eine Ballonfahrt zu unternehmen und dabei möglichst nahe ans Ziel heranzukommen.
Endlich kehrte wieder Farbe in Roberts Gesicht zurück. Er hatte seit Tagen Angst vor diesem heiklen Unternehmen, auch wenn er der Bessere von beiden war, hätte er gerne auf das Geld verzichtet und sich anderweitig orientiert. Mit dem Fernglas beobachtete er den Heißluftballon, setzte sich zurück in den Leihwagen und versuchte den Ballon so direkt wie möglich zu verfolgen.
„Eine tapfere Frau, seine Frau. Bis zu diesem Zeitpunkt gingen sie bereits seit zehn Jahren gemeinsam durchs Leben. Hoffentlich würde alles gut gehen“, dachte er.
Die Spannung wächst
Sein Herz fing wild an zu schlagen, als er den Ballon sinken sah. Der Auftrag schien erledigt zu sein. Keine besonderen Vorkommnisse. Robert blickte sich verstohlen um und nahm die Abkürzung durch einen abgeschiedenen, privaten Feldweg. Der Ballon war gerade im Begriff zu landen. Erleichtert atmete er auf, als er eine aufgeregte, fröhlich winkende Iris vor sich sah. „Es war perfekt,“ schwärmte sie. „Das Licht war super, das Zielobjekt konnte ich einwandfrei treffen. Besser hätte es nicht sein können.“ Aufgeregt holte sie einen ihrer Apparate hervor und zeigte ihm das Ergebnis. „Unser Auftraggeber kann wirklich zufrieden sein mit uns. Schau dir nur diese Pracht an, ein wundervolles Schloss und diese Natur drum herum, nicht wahr? Die Aussicht war gigantisch. Schade, dass du nicht dabei warst. Du solltest unbedingt etwas gegen deine Höhenangst unternehmen. Du wirst staunen, was ich noch alles im Kasten habe, wenn alle Fotos, die ich sonst noch geschossen habe, erst mal entwickelt sind.“ „Das war alles?“ Lars blickte erstaunt von einem zum anderen. „Und ich dachte, das wäre ein Mordauftrag gewesen.“ „Nein“, entgegnete ihm Robert, „… nur ein Mords-Auftrag in mörderischer Höhe!“
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