Es ist drei Uhr in der Nacht. Manfred öffnet ein Auge und linst zur Digitalanzeige seiner Uhr. „Verdamm!“, flucht er, „warum ist es noch so früh, warum ist mein Kopf so schwer wie Blei und warum bin ich wach?“ Er erinnert sich. Ah ja, gestern hatte er einen über den Durst getrunken und war schon gegen 16 Uhr volltrunken ins Bett gefallen.
Ja, so manch Geistesblitz muss gefeiert werden.
Nur, wo war dieser Geistesblitz jetzt? Mit all seiner Kraft versucht Manfred nun seinen Kopf anzuheben und wendet ihn langsam in Richtung Computer. Ohne weiter sein Umfeld zu betrachten robbt er seinen Körper, als würde er in den letzten Atemzügen liegen, mit schwerem, hängenden Kopf zu seinem besten Stück. Langsam und behebig erreicht er seinen Arbeitsplatz. Nur mit Mühe gelingt es ihm sich aufzurichten, mit zittrigen Händen drückt er den Schalter. Während vier Bildschirme vor ihm aufblitzen und sein Computer den unmissverständlichen Klang eines ächzenden Kaltstarts von sich gibt, taste Manfred nach seinen Kippen.
Elend
Bei dem Gedanken an den ersten Zug an seiner Zigarette fängt er an zu husten. Er krümmt sich. „Verdammte Scheiße“, flucht Manfred, „der Müll bringt mich noch um.“ Trotz seiner Bedenken zündet er sich eine seiner Rothändel an. Die leere Packung schmeißt er achtlos hinter sich, um nach dem ersten tiefen Zug an dem filterlosen Glimmstängel erneut zu husten, als müsse gleich ein großer Auswurf seiner Lunge auf einem seiner Bildschirme landen. Er erstickt den Hustenanfall hinter der vorgehaltenen Hand, um just in dem Augenblick zu bemerken, dass seine Hose nass wird. Der erhöhte Blasendruck hielt dem Hustenanfall nicht stand. „Fuck!“ Manfred springt angewidert seiner selbst vom Bürostuhl auf, dieser krachte augenblicklich nach hinten, direkt auf seinen Glastisch. In nur wenigen Sekunden zerschellte dieser in tausend kleine Scherben. Wieder flucht Manfred. „Verdammter Mist, was ist denn heute los.“ Er besinnt sich und schaut für wenige Sekunden im Raum umher, der nur spärlich durch das Licht von den Computerbildschirmen beleuchtet ist.
Manfred kratzt sich am Kopf. Er überlegt, ob dieser Saustall wirklich sein Zuhause ist. „Egal, jetzt geh ich erstmal pissen.“ Im Bad angekommen hängt er sich mit dem Oberkörper leicht nach vorne über die Toilettenschüssel und bemerkt zu spät, dass der Deckel nicht hochgeklappt war. „Grrrrrrrrr …“, grummelt es laut aus seinem Mund, die Kippe zwischen die Zähne geklemmt. Es ist ihm egal, dass die Plörre danebengeht. Beim Verlassen des Bads meidet Manfred den Blick in den Spiegel, denn er weiß, wie schäbig er aussieht, nämlich genauso, wie er sich fühlt. Leer, ausgebrannt, den Toten näher als den Lebenden.
Wo ist die zündende Idee
„Was ist jetzt, wo ist der Einfall von gestern?“, brüllt er durch den Raum, ungeachtet der Tatsache, dass es Nachbarn gibt, die gewiss noch schlafen. Erneut setzt er sich vor den Computer und öffnet als erstes Facebook. Jemand on – postet er, in der Hoffnung, dass ein Leidensgenosse, der auch nicht schlafen kann, antwortet. Niemand antwortet. „Ja, gibt´s denn so was, ist denn keiner auf dieser Welt online?“ Manfred fängt an das Internet zu durchforsten, in der Hoffnung, dass ihm sein Einfall von gestern wieder in Erinnerung kommt. Wikipedia hilft ihm auch nicht. Manfred stöhnt, seine Zigarette ist längst verglimmt und er hatte keine mehr. Zorn steigt in ihm auf. Wieder bemüht er sich und sucht verzweifelt in seinem Wust an Papierkram, Essenresten, leeren Flaschen nach einer letzten Zigarette, vergebens.
Stattdessen findet er eine Flasche Whisky unter seinem Schlafplatz, öffnet sie hastig und nimmt einen tiefen Zug. „Boh ey“, stöhnt er, „das habe ich jetzt gebraucht“. Erneut kippt er die Flasche an seinem Mund und trinkt weitere Male, bis die Flasche zur Hälfte geleert ist. „So, jetzt bin ich fit.“ In der Tat hört das Zittern seines Körpers auf, seine Hände werden ruhiger, seine Gedanken sortieren sich. „So, jetzt noch eine Zigarette und mir wird schon noch einfallen, was für eine Idee ich gestern hatte.“ Manfred schlürft durch den Raum und sucht nach einer Hose. Er muss unbedingt zum nächsten Zigarettenautomat, denn ohne Nikotin würde er es nicht schaffen auch nur einen klaren Gedanken zu fassen.
Das Finale
Die Hose war gefunden und zum Glück auch seine Brieftasche, ungekämmt, unrasiert und wie ein Penner gekleidet ging er zur Tür. Manfred fasst den Türgriff, um nach draußen zu gehen, doch die Tür fühlt sich an wie ein Stück Papier, ganz leicht ließ es sich zur Seite drücken. Langsam geht Manfred einen Schritt nach vorne und stockt. „Was ist das?“, fragt er laut und schaut direkt in das Gesicht von Steven King. Im Hintergrund hört er auf einmal Rockmusik und Steven King lächelt hämisch eines Siegers gleich. „He!“, ruft Manfred, was machst du denn hier?“ Doch King reagiert nicht. Stattdessen fühlt Manfred wie der Boden unter ihm im Takt der Musik vibriert, als würde jemand an seinem Haus rütteln. „Yäh“, ertönt es aus Kings Mund und just in diesem Augenblick fühlt Manfred ein Messer im Rücken. Schwerfällig dreht er sich um und schaut in das Gesicht eines ihm unbekannten Menschen. „Was soll das?“, fragt Manfred verwirrt. Einen Schmerz konnte er nicht fühlen. „Ich bin dein Mörder. Was sonst?“, sagte der Unbekannte. Manfred sucht das Gesicht von Steven King, doch dessen Triumphgeschrei wurde immer breiter und verschwand langsam wie hinter einem Schleier.
Zack! Ein Schlag und es wurde dunkel. Steven King hatte sein Manuskript zugeschlagen und bestätigte mit einem noch breiteren Grinsen. „I got it, this is the beginning of my new Thriller!“
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