„Wird sie durchkommen?“ Dirk schreitet neben der Bahre den Klinikflur entlang und tätschelt seiner Schwester Cordula die Hand. „Wir wissen noch gar nicht, warum ihre Schwester bewusstlos aufgefunden wurde“, antwortete der zuständige Arzt und drückte ihn seicht beiseite, um in den Aufzug zu gelangen. „Wir werden sie benachrichtige, sobald sich etwas Neues ergeben hat.
Sie können nicht mit in den OP.“ Das Sanitäterteam schob angestrengt das Krankenbett mit der Dreizentnerfrau in den Transportaufzug. Nur wenige Augenblicke später lag sie auf dem OP-Tisch und wurde notoperiert. Drei Stunden später verweilte Cordula im Aufwachraum und kam langsam wieder zu sich. Ihre Gedanken ordneten sich nur schwer, und der brennende Schmerz an ihrem Hals eröffnete viele Fragen und die machten ihr Angst. Wie konnte das passieren, sie hatte doch nur eine Praline genascht. War das die Strafe für ihre Mordgedanken an Dirks zukünftiger Frau? Wollte Karla am Ende sie töten? Sie ertrug es einfach nicht, dass Karla ihrem Bruder den Kopf verdreht und aufgedonnert wie ein Modell vor ihm rumtanzt, ihn um den kleinen Finger wickelt und endlos Küsse an ihn verteilt. Dann zog sie auch noch ins gemeinsame Haus ein. Kochen kann sie auch nicht und von Haushaltsführung hat Karla schon gar keine Ahnung. Ständig mischt sie sich ein und wies sie zurecht, permanent schaute Karla verächtlich an ihrem viel zu dicken Körper hinunter, versteckte die Schokolade und setzte sie zwangsweise auf Diät und meinte: „Du musst auf deine Gesundheit achten“ – Papperlapapp, Karla wollte ihr einfach nur den geliebten Bruder wegnehmen und sie vergraulen. Aber soweit sollte es nicht kommen.
Fingerhut?
Der Fernsehbericht über die Extrakte des Fingerhuts war sehr aufschlussreich. Eine Geniale Mordwaffe, kaum nachweisbar im Blut des Opfers. Aber was ging schief? Cordula versuchte ihre Gedanken gerade zu rücken. Sie hatte doch lediglich die vergiftete Praline in der Schachtel ausgetauscht, die Dirk für Karla zur Weihnachtsfeier vorgesehen hatte. Dirk machte ein Riesenaufheben um die Schachtel. „… das muss unbedingt unter uns bleiben, das soll eine Überraschung werden“, sagte er, dabei war die Marke nicht mal eine besondere. Dann, so erinnerte sich Cordula, aß sie einfach die übrig gebliebene Praline auf. Was hätte sie sonst damit tun sollen? Aber dann bekam sie keine Luft mehr und wurde ohnmächtig.
Verdächtig.
Dirk suchte unterdessen nach der Ursache für den Ohnmachtsanfall von Cordula und wurde auch sogleich fündig. Als er in der Wohnstube die offene Vitrine neben dem Christbaum vorfand und die Pralinenschachtel auf dem Boden liegen sah. „Oh nein, das Naschen werde ich meiner Schwester wohl nie abgewöhnen können. Jetzt hat sie auch noch meine Verlobungsüberraschung zum Heiligen Abend zerstört.“ Mit einem Blick stellte er fest, dass seine präparierte Praline nicht mehr vorhanden war. „Du meine Güte, sie hat den Verlobungsring verschluckt und wäre beinahe daran erstickt.“ Er stellte sich Karlas enttäuschten Blick vor, wenn sie nur eine einfache mit Pralinen gefüllte Schachtel öffnete, dabei war der mit Diamanten besetzte Verlobungsring doch in dieser ganz besonderen Praline mit der Mandel oben drauf versteckt. „Nun ja, Hauptsache, Cordula hat es überlebt“, sagte er laut und steckte sich eine Praline in den Mund, die so gar nicht zum Sortiment passte.
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Weitere Kurzkrimis von mir:
Mit mir nicht
Nicht jeder Schatz macht reich
Tag X
Einmal Bulle, immer Bulle
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