Just im Augenblick, als ich den Gemüseladen verließ, streifte mein Blick den Mann im Trenchcoat auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Mit dem geschulten Blick eines Kriminaloberkommissars wusste ich sofort, dieser Mann hat was zu verbergen. Der Kragen seines Mantels war nach oben geschlagen, sein Hut saß tief in der Stirn und seine Augen verdeckte er mit einer schwarzen Sonnenbrille. Mein zweiter Blick galt dem Himmel, der wolkenbehangen einige Tropfen regnen ließ.
Was hat der vor?
Was zum Teufel hatte dieser Kerl vor, der derart auffällig maskiert durch die Straßen geht?! Mit meinen Augen fixierte ich ihn, klemmte die Einkaufstüte unter den Arm, schlug seine Richtung ein und folgte ihm. Nur eine Allee weiter wechselte er die Straßenseite. Er war jetzt nur wenige Schritte direkt vor mir. Kurz blieb er stehen, ich ebenfalls. Er schaute sich um und für eine Sekunde trafen sich unsere Blicke. Verstohlen schaute ich zur Seite, um nicht den Verdacht aufkommen zu lassen, dass ich ihm folgte. Doch der Typ schien mich nicht zu registrieren, den Kopf noch tiefer im Kragen versteckt, ging er weiter und beschleunigte dabei seine Schritte. Plötzlich blieb er abrupt stehen, schaute sich erneut um, fasste kurz in seine Brusttasche und verschwand blitzschnell im Juwelierladen, den er gerade erreicht hatte. Aha, dachte ich, er hat eine Waffe und ist gerade im Begriff, den Juwelier Schmiedeke zu berauben. Meine Schritte wurden langsamer, nun hieß es Obacht, denn eine falsche Handlung von mir könnte fatale Folgen haben. Schnell griff ich nach meinem Handy, um die Notrufzentrale zu benachrichtigen. Ich wollte nur noch warten, bis er den Laden wieder verlässt, um sicherzugehen, dass er auch Beute dabei hat. Aber dann ging alles sehr schnell, zu schnell für mich. Der Alarm im Juwelierladen schrillte so laut, als stünde ich direkt neben dem Horn. Ein riesiges Pick-up-Fahrzeug jagte an mir vorbei. Der Dieb verließ mit einem dicken Sack bepackt das Geschäft und rannte die Straße weiter davon.
Notruf
Es blieb mir keine Zeit das Handy zu betätigen, ich ließ meine Einkauftasche fallen und jagte so schnell wie mich meine Beine trugen hinter ihm her. Die Hetzjagd führte vorbei an plötzlich immer mehr auftauchenden Passanten, die ich vorher gar nicht wahrgenommen hatte. Einige wurden vom Dieb rüpelhaft zur Seite gestoßen und fielen über Tische und Stühle der Cafés und Restaurants der Einkaufsmeile. Zum Glück saß niemand bei diesem Wetter draußen, die er hätte zusätzlich umrempeln können. Kurz stolperte der Räuber, fing sich wieder und rannte weiter, diese Situation allerdings ermöglichte es mir, ihn einzuholen. Bald würde ich ihn haben, spätestens an der nächsten Ecke.
Gleich hab ich ihn
Meine Konzentration galt nur diesem Mann, deshalb vernahm ich auch die Rufe neben mir nicht, die ich erst später als Warnrufe vernahm. Aber da war es schon zu spät. Mit einem Satz sprang ich vor, packte den Dieb am Kragen und riss ihn zu Boden. Geschickt, wie ich es in meinem jahrelangen Training als Kriminalbeamter gelernt hatte, drückte ich ihn zu Boden, sodass er bewegungsunfähig auf seinem Bauch lag. „So Freundchen, hab ich dich! Einmal Bulle immer Bulle, selbst wenn er seinen freien Tag hat. Damit hast du wohl nicht gerechnet?“ Doch plötzlich tippte mich jemand an der Schulter und meinte: „Sagen Sie mal, haben Sie Bohnen in den Ohren? Ich habe doch laut genug gerufen, dass Sie aus dem Bild gehen sollen. Wir drehen hier gerade einen Kriminalfilm!“, sagte ein grimmig dreinschauender Mann und deutete auf den riesigen Pick-up mit Kameraausrüstung auf der Pritsche.
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Weitere Kurzkrimis von mir:
Lottoglück
Segeltörn
Mit mir nicht
Nicht jeder Schatz macht reich
Tag X
Einmal Bulle, immer Bulle
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