„Weist Du was Mama…!“ sagt mein Sohn. „Du hast es gut. Du bist den ganzen Tag daheim und kannst machen, was Du willst und wann Du willst. Ein schöneres Leben kann man sich nicht vorstellen.“ Nun mein Sohn, ganz so einfach ist das nicht, denn Heimarbeit mit all seinen Folgen und Konsequenzen wird bei den meisten Menschen unterschätzt.
Eine Hommage an alle Menschen, die sich entschieden haben daheim ihr Geld zu verdienen.
„Guten Tag – Sie wünschen?“
Heimarbeit – Du hast doch immer Zeit
Das Telefon klingelt, meine Mutter ist dran: „Hör mal, Du hast doch Zeit, kannst Du für mich mal was auskundschaften?“ Genau das ist das Problem, Sie denkt ich bin ja den ganzen Tag daheim, da habe ich eben mal Zeit zwischendurch was zu erledigen, denn meine Schwester, die „arbeitet ja“. „Mama, was willst Du, was kann ich für Dich tun“, frage ich als treusorgende Tochter und rolle mit den Augen. „Kind, ich möchte in Kur fahren und meinen Hund mitnehmen, geht das?“ Ach ja, meine Mutter kann kein Internet und den Hausarzt oder die Krankenkasse zu fragen wäre zu einfach. „Mama, warum denkst Du ich kann Dir da helfen, frag doch mal bei deiner Krankenkasse nach.“
„Ne, Du bist doch daheim, hast Zeit und Internet.“
An der Stelle höre ich auf weiter darüber zu berichten, am Ende hat meine Mutter gewonnen. Ich habe ihr das passende Kurhotel rausgesucht, der kleine Fiffi darf mit und ich hab den Stellenwert des Du-hast-ja-immer-Zeit-Heimarbeiters bestätigt. Man bin ich blöd.
Heimarbeit – aus der Sicht der Anderen
Das ist kein Einzelfall, es geht jedem so, dem ich erzähle, dass ich alles von zuhause aus manage (und „nebenher“ sogar mein Geld von zuhause aus verdiene). „Ach, Du hast es gut, Du bist den ganzen Tag daheim, da kannst Du machen, was Du willst.“
- NEIN! Ich kann nicht machen, was ich will! Ich muss nur das Talent beweisen, meine Zeit entsprechend einzuteilen. (Heimarbeiter müssen flexibler, kontrollierter und engagierter sein, als alle Angestellten)
Auch ein Heimarbeiter unterliegt gewissen Regeln. Ich habe als selbständig arbeitende Person nämlich meinen Kunden gegenüber Verpflichtungen, die ich einhalten muss, sonst waren es längstens meine Kunden gewesen.
- Ja! Ich kann mir meine Zeit einteilen!
Das heißt aber lange nicht, dass ich die Zeiten mit den Belangen meiner Verwandten füllen muss. Es ist vielmehr so, dass ich effektiv arbeite und Leerräume anders füllen kann, als ein Festangestellter, der unter Umständen seine Zeit nur absitzen muss.
- Ja! Ich arbeite oft nachts, weil mich am Tag die Menschen fordern, die denken, ich würde den ganzen Tag Zeit haben mich um Ihre Belange kümmern zu können. (Dann kommt es zuweilen auch mal vor, dass ich tagsüber einfach auf der Couch einnicke) Ups: „ – Du kannst schlafen, wann Du willst – du hast es guuuut!“ – grmpf….
Was ist anders an den Menschen, die daheim ihr Geld verdienen? Gut, ich müsste nicht morgens um 6 Uhr aufstehen, um dann pünktlich um 7:30 Uhr bei der Arbeit zu erscheinen. Ich kann ja schlafen bis … >>>>!!!!
- Ey Leute, ich schlafe nicht lange und nicht gut, weil ständig jemand meinen Rhythmus stört.
„Ja, Du kannst Dir Deine Zeit aber einteilen, wie Du es gerne hättest!“
- Neeee, wenn du liebe Mama mich anrufst, dann ist das meist zeitlich gebunden …
- Wenn die Miete und Nebenkosten bezahlt werden wollen, dann würde das finanziell an ein Desaster grenzen – weil ich doch den ganzen Tag ZEIT habe und meine zeitlichen Lücken mit den Belangen anderer fülle, die mir mein Konto NICHT füllen?
Die armen Angestellten mit Festeinkommen
Meine Schwester geht einem „festen“ Job nach. Ob sie dort auch in der Zeit der Leerläufe produktiv ist, sei dahin gestellt. Sie muss auf alle Fälle um 8:00 Uhr dort anfangen und kommt dann gegen 17:30 Uhr wieder nach Hause. Dann kümmert sie sich den Rest des Tages um ihre eigene Familie und hat deshalb keine Zeit unserer Mama mal zu helfen oder im Internet nach einem passenden Kurort zu suchen. Das Kredo meiner Mutter:
„Ach, Deine arme Schwester muss den ganzen Tag arbeiten und dann die Familie, die hat ja kaum Zeit für ihre Mutter – Du aber mein Liebes, bist den ganzen Tag daheim!“
Ein „ach so armer“ Festangestellter hat:
- … ein festes Einkommen!
- … bezahlten Urlaub!
- … bezahlte Krankheitstage!
- … bezahlte Freizeit!
- … Feierabend und Wochenende!
- … kann streiken und bekommt dennoch Geld! (danach sogar meist mehr)
- … kein Stress mit Menschen die Hilfe brauchen! (weil keine Zeit)
- … ist sozial weit besser gestellt als Selbständige und/oder Mütter/Väter, die ihr Herzblut in die Familie investiert haben.
Ich helfe gerne und mein Honorar ist Deine Wertschätzung
Bei all den Argumenten werde ich oft gefragt: „Warum hast Du Dich dennoch für die Selbständigkeit entschieden?“
„Weil ich meine Kinder selbst großziehen und immer für sie da sein konnte!“
„Weil ich meine Freiheit genieße, auch mal NEIN sagen zu können, ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen!“ Auch wenn ich selten NEIN sage, aber das ich es könnte, zählt.
„Weil mich allein der Gedanke – „Morgens NICHT aufstehen zu MÜSSEN!“ – motiviert dennoch früh aufzustehen.
„Weil ich dort sein kann, wo ich am liebsten bin – daheim!“
„Weil ich alles, was ich liebe, um mich versammeln, kann!“
„Weil ich keinen Chef habe, der mir sagt was ich zu tun habe!“
„Weil ich das, was ich tue, gerne tue mit all seinen Konsequenzen!“
„Weil ich mich frei fühle, auch wenn ich es nicht bin!“
Was ich nicht mag, sind Menschen, die das nicht zu schätzen wissen und meinen alle Heimarbeiter würde den ganzen Tag daheim rumhängen und nur darauf warten, die Aufgaben anderer zu erledigen oder Sozialdienste für sie zu schieben!
Alles, was ich mir wünsche, ist ein wenig mehr RESPEKT für alle multitalentierten und hart arbeitenden Heimarbeiter, insbesondere Mütter und Väter, die sich für diesen Weg entschieden haben, um bei ihren Kindern sein zu können.
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